Ellmosener Wies

Wie es dazu kam – Baugebiet Ellmosener Wies

Die Freigabe dieses Baugebietes ist für mich das erste große Lehrgeld, dass ich als Stadträtin zahlen muss. 
Vor ca. einem Jahr stellte die Firma Quest ihre Idee für eine Bebauung der Ellmosener Wies im Stadtrat vor. Ein tolles Konzept, das sowohl bezahlbares Wohnen als auch Mehrgenerationenwohnen fantastisch umgesetzt hätte.
Wir alle – und das meine ich parteiübergreifend – waren so begeistert von dem Konzept, dass wir zugestimmt haben, einer Ausweisung des bisher landwirtschaflichen Grundes  am Rande Bad Aiblings zuzustimmen.

Doch dann kam auf einmal die für alle überraschende Ankündigung, dass auch andere Bauträger das Gebiet bebauen wollen (gut, das ist natürlich nicht überraschend) und für den Grund einen derart hohen Preis bieten, dass Quest mit seinem Konzept zurückzieht, da es in seiner angedachten Form (s.o.) so nicht mehr zu realisieren ist.
Im Stadtrat wurde daraufhin diskutiert, ob man nun die Ausweisung des neuen Baugebietes überhaupt weiter verfolgen möchte. Wir, die GOL, waren hier absolut strikt dagegen, konnten uns aber nicht durchsetzen.
Seitens der CSU kamen Einwände, man könne im Sinne der Gleichberechtigung nicht dem einem Bauwerber etwas in Aussicht stellen, was dem anderem von vorneherein verwehrt werden solle. Man solle einen städtebaulichen Wettbewerb fordern und dann mal sehen, was dabei herauskommt.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt verstanden, dass wir auch nach einem Wettbewerb immer noch GEGEN eine Bebauung entscheiden können. Das ist leider nicht der Fall. 

Ich habe gelernt: Die Sieger aus einem städtebaulichen Wettbewerb haben einen Anspruch auf Umsetzung ihres Entwurfes. Nicht 1:1 und auch nicht unbedingt der erste Sieger. Aber aus den Siegerentwürfen kann sich die Stadt einen aussuchen, und dieses Planungsbüro wird dann beauftragt. Man kann also nicht einfach sagen: „Sehr nett – vielen Dank – aber wir planen jetzt nochmal ganz neu und mit jemand anderem.“

Sollte sich die Stadt nun aus irgendwelchen Gründen dennoch grundsätzlich gegen eine Bebauung entscheiden (das Baugebiet ist ja im Moment noch landwirtschaftliche Fläche, zur Umwidmung könnten wir theoretisch nicht gezwungen werden), dann hätte der Auftraggeber des Wettbewerbes – in diesem Falle die Fa. Krapichler – Anspruch auf Kostenerstattung, eventuell sogar Schadensersatz.

Das heißt nun leider auch: Wir kommen aus der Nummer nicht mehr raus. Die Bebauung wird auf alle Fälle stattfinden – und sie wird zeitnah stattfinden.
Eine Notwendigkeit sehen wir tatsächlich nicht. Da auch das Gebiet um die Schön-Klinik Harthausen als Baugebiet ausgewiesen werden wird und an einigen weiteren Stellen innerhalb Bad Aiblings nachverdichtet wird bzw. nachverdichtet werden kann, gibt es keinen Grund, warum ein Außengebiet zur Bebauung freigegeben wird. Auch das BauGB fordert, dass zuerst innerstädtisch nachverdichtet werden muss, bevor eine Ausdehnung – und damit Versiegelung – im Außenbereich in Frage kommt.

Wie ging es weiter

Es kam also nun zum Wettbewerb. Im Preisgericht durfte ich dabeisein – wieder eine neue Erfahrung für mich. An einem ganzen Tag trifft sich das Expertengremium (Architekten und Städteplaner – aber auch Vertreter der Stadt, also Stadträte und hier der Stadtbaumeister) und diskutiert die eingereichten Entwürfe. Für uns sogenannte Sachpreisrichter höchst interessant, dass man innerhalb weniger Stunden lernen kann, einen Blick für Zeichnungen und Modelle zu entwickeln. Durch den ständigen Meinungsaustausch mit den Fachleuten erkennt man Dinge, die mir durch das alleinige Betrachten der Pläne niemals klar geworden wären – viel mehr noch: Ich hätte gar nicht darauf geachtet. Stärken und Schwächen der einzelnen Entwürfe werden auf einmal sichtbar – und ich kann guten Gewissens behaupten, dass ich eine hervorragende Plattform hatte, mir eine eigene Meinung zu bilden.
Ebenso habe ich den Prozess als ein sehr effektives Miteinander erlebt. Denn die Fachpreisrichter – also die wirklichen Fachleute – waren immer interessiert daran, wie wir als Bad Aiblinger das ein oder andere einschätzen. Insofern greift für mich der oft zu hörende Vorwurf, Münchner Architekten wären für unsere ländliche Region keine geeigneten Fachpreisrichter, absolut nicht.

Es gab drei Preise – wobei nur der erste und zweite Preis eine Empfehlung zur Umsetzung erhalten haben – zu groß waren die ‚Mängel‘ beim dritten Entwurf. Ich selber kann mich sehr klar für den Siegerentwurf aussprechen, da aus meiner Wahrnehmung heraus hier ein spannendes Wohnprojekt entsteht, das Wohnen der Zukunft – das anders aussehen wird, als wir das heute noch so gewohnt sind, darüber gibt es gute Studien – gut darstellen kann.
Natürlich muss ich jetzt im Konjunktiv bleiben, denn wissen kann man das heute natürlich noch nicht – das wird man einfach erst in 20 Jahren wirklich wissen.
Auch mit Platz Nr. 2 konnte ich mich sehr gut anfreunden – auch wenn mir der etwas langweiliger erscheint. Aber es gab nichts, was wirklich gegen diesen Entwurf sprechen würde.
Platz Nr. 3 kam und kommt für mich nicht in Frage. Zwei Hauptgründe: Eine stereotype Doppelhaus-Reihe (Garage – Doppelhaus – Garage… usw.) schließt an das jetzige Gebiet an. Damit entstehen unverhältnismäßig viele kleine Wohneinheiten mit viel Flächenverbrauch  – außerdem wird das immer vorhandene Problem der Anbindung von Einfamilienhäusern an einen Geschosswohnungsbau – einfach um eine Reihe nach hinten versetzt.
Der zweite Grund: Die gewählte Dachlösung der Randgebäude (die in sich wirklich toll ist, aber leider nicht an dieser Stelle) ist für den ersten Eindruck, wenn man auf Bad Aibling zufährt, nicht geeignet. Obwohl der 3. Preis die lockerste Bebauung aufweist, war der dargestellte Eindruck des Ortsrandes am nächsten am Schreckgespenst ‚Neuperlach-Süd‘.

Im Preisgericht war aber schon abzusehen, dass der erste Preis polarisieren wird, während der 2. Preis einfach gefälliger schien. So war es dann auch. Die Bürgerinitiative, die sich bei den Anwohnern rasch bildete, konnte sich ausgerechnet nur für den 3. Preis begeistern, aber zumindest mit dem 2. Preis leben.
Mir ist völlig klar, dass für die Anwohner das Bauprojekt eine große Nummer ist – aber es war zu jedem Zeitpunkt klar, dass es irgendwann kommen wird. Die Vehemenz, mit der man sich gegen Preis 1 ausgesprochen hat, kann ich auch heute noch nicht nachvollziehen – aber das ist auch nicht wichtig. Mein persönlicher Geschmack spielt hier keine Rolle. Wenn sich die Menschen, die am Ort des Geschehens leben, mit dem 2. Preis – gegen den ja inhaltlich nichts spricht – anfreunden können, dann können wir hier tatsächlich eine leichte Entscheidung treffen – und die Gratwanderung zwischen ‚es-allen-recht-machen‘ und ‚für-umwelt-und-stadt-richtig-handeln‘ ist zumindest nicht gescheitert.

Martina Thalmayr

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