Lichtspielhaus – schon wieder geht es um Höhenentwicklung

In der August-Stadtratssitzung wurde über die Bauvoranfrage für das Projekt ‚Lichtspielhaus‘ entschieden.

Zum Hintergrund:

Das Gebäude wurde von Quest gekauft. Die ursprünglich angedachte Sanierung musste auf Grund der schlechten Gebäudesubstanz verworfen werden (Das halte ich für eine sehr glaubhafte Aussage, denn Quest begeistert ja nicht zuletzt mit seinen tollen Sanierungen wie z.B. Spinnerei Kolbermoor oder Kunstmühle Rosenheim).
Herr Werndl und Herr Eisner (Werndl & Partner – Quest Gruppe) stellten das Projekt bzw. ihre Ideen im Stadtrat vor; von Anfang an war ihnen die Nähe zu den Aiblingern wichtig.  Für Bad Aibling soll mit dem Lichtspielhaus ein Aushängeschild für die Stadt und Werndl & Partner entstehen. Die Gastronomie wird mit dem jetzigem Pächter erhalten, es werden Geschäfte, Büros und auch Wohnraum entstehen.
Grundsätzlich besteht hier Baurecht – wir diskutieren also gar nicht, ob, sondern allenfalls, wie hier gebaut werden kann. Und da es um innerstädtische Bebauung mit Baurecht geht, aber ohne qualifizierten Bebauungsplan, also um unbeplanten Innenbereich, entscheidet letztendlich das Landratsamt. Die Entscheidung des Landratsamtes richtet sich nach § 34 BauGB – Neubauten müssen sich an die bereits bestehende Umgebung anpassen.
Unter diesen Gesichtspunkt wurde die Quest-Gruppe vom Bürgermeister – und der Stadtrat hatte nichts dagegen einzuwenden – gebeten, einen Wettbewerb auszuloben. Werndl und Eisner standen dieser Idee erst einmal skeptisch gegenüber. Ihr Argument war, dass sie bisher immer mit hervorragenden Architekten und ihren Werten zu tollen Ergebnissen gekommen seien. Bei einem Wettbewerb wisse man nicht, was man am Ende bekomme.
Letztendlich aber ließen sie sich auf das Experiment ein. Über den Hintergrund des vorgeschlagenen Wettbewerbes kann ich nur spekulieren. Ich vermute, dass man davon ausging, bei einem Wettbewerb einen harmonischeren Ablauf des Genehmigungsprozesses zu erreichen. Da in unserem Stadtrat ja oftmals endlose Diskussionen auch um Kleinigkeiten Entscheidungen unverhältnismäßig in die Länge ziehen, eine durchaus sinnvolle Idee.

Der Wettbewerb

Der Wettbewerb wurde also ausgelobt. Dann wurden alle teilnehmenden Sachpreisrichter (das sind die Vertreter der Stadt: Verwaltungsmitarbeiter und Stadträte) über die Auslobung informiert und hatten die Möglichkeit, Kritik o.ä. anzubringen. Es folgte ein Kolloquium, bei dem sich alle Preisrichter und teilnehmenden Architekten trafen, um alle offenen Fragen zur Auslegung der Ausschreibung zu klären. Erst jetzt war die Ausschreibung verbindlich, und die Architekten gingen an die Arbeit.
Er wurden drei Sieger ermittelt; einer der drei Entwürfe muss umgesetzt werden. Alle Entwürfe wurden der Öffentlichkeit vorgestellt, man konnte sich die Modelle und dazugehörigen Pläne im Rathaus anschauen.
Der erste Entwurf fand nicht sofort große Zustimmung. Viele Besucher (auch ich selber) fanden den zweiten Entwurf gefälliger. Das lag vor allem daran, dass die Südseite (zum Marienplatz) die Arkadenbögen des Sparkassengebäudes aufnimmt, was auf den ersten Blick harmonischer wirkt.
Beschäftigt man sich aber eingehender mit den Plänen, kommt man schnell dahinter, wo die Vorzüge des 1. Preises und auch die großen Nachteile des 2. Preises liegen.
Nur kurz zusammengefasst: Die Fassade zur Kirchzeile ist im 1. Preis wesentlich besser gelöst als in den anderen Entwürfen. Das ganze Gebäude gewinnt enorm durch die unterschiedlichen Fluchten und Ausrichtungen von Fassadenelementen. So entsteht z.B. ein kleiner ‚Turm‘, der von der Durchfahrt zwischen Café Lotte und Lindners frontal zu sehen ist. Auch die Raumausnutzung scheint optimal. Das zurückgesetzte Dachgeschoss ist vom Platz aus nicht zu sehen. Damit gewinnt man Höhe, ohne aber die Straßenseite noch weiter zu erhöhen.
Gerade das finde ich heute – wo wir zwangsläufig nach oben bauen müssen (!!!) – eine super Lösung.

In der Mai-Stadtratssitzung, in der die Siegerentwürfe vorgestellt wurden und der Stadtrat entscheiden sollte, welcher der Siegerentwürfe weiter verfolgt werden soll, kamen nun zum ersten Mal die Schreie gegen die Höhe auf (aus meiner Sicht unverständlich):
– Argumentation der teilnehmenden Sachpreisrichter: Ihnen sei die Höhe nicht bewusst gewesen.
– Besonders laut gegen den Entwurf wetterten nun aber Bürger, denen selber (vierstöckige) Gebäude in der Kirchzeile gehören – und das Hauptargument ist stets die Höhe.
Da umliegend Gebäude mit der gleichen Höhe wie der geplante Neubau stehen, ist das Höhenargument aus meiner Sicht unhaltbar. Es stimmt schon, dass die anderen Gebäude diese hohen langgezogenen Dächer haben, in denen nochmal zwei Stockwerke untergebracht sind – und es stimmt natürlich auch, dass diese Dächer typisch sind – aber sind sie sinnvoll? Wenn ich neu baue(n muss), dann halte ich es für sinnvoll und unbedingt notwendig, zukunftsorientiert zu bauen – und das heißt, unbedingt Raum optimal zu nutzen. Wenn ich also xx Meter hoch baue, dann ist es doch sinnvoll, diese Höhe auch nutzbar zu machen – also helle, lichte Räume zu schaffen, und keine Dachzimmer mit Luken, die maximal eine Schlafkammer beherbergen mögen.
Im Übrigen entscheiden wir nicht über die Höhe, denn die wird aufgrund  §34 BauGB vom Landratsamt mit Sicherheit genehmigt werden.
Die Entscheidung des Stadtrates war letztendlich auch, den 1. Siegerentwurf zu realisieren.

Das Bürgerbegehren

Das Bürgerbegehren, das nun ins Leben gerufen wurde, ist aus oben genannten Gründen aus meiner Sicht wenig erfolgversprechend (auf Grund des Baurechtes, das nach §34 eben vom Landratsamt beurteilt wird) – und ich vermute leider auch, dass das den Initiatoren bewusst ist.
Ich finde Bürgerwille und das laute Kundgeben des selbigen absolut richtig und ein wichtiges Instrument in unserer Demokratie.
Aber ich finde es sehr schade, dass gerade an dieser Stelle so qualifizierte Bauherren wie Werndl & Partner (hoffentlich nicht) vergrault werden, und das aus einem fragwürdigen Grund. Zu den Aiblinger neuralgischen Punkten ‚Stellplätze‘ und ‚Satteldächer‘ ist nun noch ein dritter Punkt ‚Höhe‘ dazugekommen. Mut zur Veränderung – und Vertrauen in Qualität  – das ist für mich ein zukunftsfähiger Weg.
Etwas mehr ‚Vorschuss-Vertrauen‘ hätten Werndl & Partner mit ihren fantastischen Werten und bisherigen Projekten allemal verdient.

Die Bauvoranfrage und deren Genehmigung

In der August-Sitzung sollte nun über die Bauvoranfrage von Quest über das Lichtspielhaus entschieden werden. Das Bürgerbegehren hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Unterschriften abgegeben, was schon komisch war, da es ja sehr schnell nach der Mai-Sitzung ins Leben gerufen worden war. In der August-Bauausschussitzung wurde das Thema noch einmal um drei Wochen zurückgestellt und auf eben die folgende Stadtratssitzung verschoben. Wieso schaffen es die Initiatoren also nicht, die gesammelten Unterschriften abzugeben, oder aber zumindest einen Zwischenstand zu melden oder wenigstens bekannt zu geben, wann die gesammelten Unterschriften abgegeben werden sollen?
Ich denke, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, bei den Initiatoren nachzufragen  – ein Bürgerbegehren ist schon eine Bringschuld seitens der Bürger.

Im Stadtrat wurden nun Argumente der Gegner aufgefahren:
Die Bauvoranfrage sei verspätet eingereicht worden.
Die Verwaltung würde sich in politische Entscheidungen  durch bevorzugte Behandlung einmischen.
Der Bürgerwille werde übergangen.

Diese Argumente hatten zu diesem Zeitpunkt auch mich teilweise überzeugt – was ich heute bedaure – denn grundsätzlich bin und war ich zu jedem Zeitpunkt sehr für die Umsetzung des Siegerentwurfes.
Inzwischen ist mir klar, dass alle genannten Argumente haltlos sind.
Die Bauvoranfrage wurde mit angefragter und zugesagter dreitägiger Verspätung im Bauamt eingereicht. Das ist bei weitem kein Einzelfall, sondern wird bei Bedarf den Bürgern zugesagt.
Insofern hat sich die Verwaltung korrekt verhalten; es ist keine Bevorzugung zu erkennen.
Beim Argument des Bürgerwillens bin ich zugegebenermaßen etwas zwiegespalten. Wieso wurden die gesammelten Unterschriften nicht eingereicht? Die Tagesordnung der Sitzungen wird doch veröffentlicht, das heißt, den Initiatoren musste bekannt sein, dass das Lichtspielhaus auf der Tagesordnung stand. Andererseits wusste man durchaus, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass die nötigen Stimmen zusammenkommen werden.
Es wäre also durchaus guter Stil gewesen, die Initiatoren in einem persönlichem Kontakt auf die Situation und die Dringlichkeit hinzuweisen.
In der Summe drängt sich mir jedoch der Verdacht auf, dass die Stadtratskolleg*innen, die gerne die alten wie auch den neu hinzugekommenen neuralgischen Punkte in konsequenter Regelmäßigkeit ‚beackern‘, alle Register ziehen, um die aus ihrer Sicht versäumte Gelegenheit, auf die Höhenentwicklung einzuwirken, nachzuholen.

Letztendlich denke ich, dass die Zustimmung zur Bauvoranfrage schon in Ordnung geht. Vor allem vor dem Hintergrund, dass mit oder ohne das ‚gemeindliche Einvernehmen‘ zur Bauvoranfrage, die Entscheidung über die Höhe des Gebäudes letztendlich das Landratsamt treffen wird.

Nach dem Bürgerbegehren kommt es nun also zu einem Bürgerentscheid – denn die Versuchen, zwischen Werndl & Partner und den Initiatoren eine einvernehmliche Lösung zu finden, ist gescheitert.
Am 2. Dezember müssen die Aiblinger abstimmen. Das kostet Ressourcen und Geld  – und was kann dabei herauskommen? Das Lichtspielhaus wird kommen – die Höhe entscheidet das Landratsamt – nur eine Veränderungssperre für die Kirchzeile ist ggf. erfolgversprechend. Dann können / müssen wir erst einen Bebauungsplan für das Gebiet erstellen und künftig kann dann nur innerhalb dieser Vorgaben gebaut/umgebaut werden.
Ich für meinen Teil bin mir auch sicher, dass hier ein optimales tolles Projekt entstehen wird.

Ich habe gelernt:

Es ist enorm schwierig, innerhalb der Stadtratssitzungen zu einer Entscheidung zu finden. Umso wichtiger ist die Vorbereitung der Sitzungen und das Studium der bereitgestellten Unterlagen zu den einzelnen Themen. Aber egal, wie gründlich man vorbereitet ist, wenn auf einmal Argumente und Vorwürfe auftauchen, kann man leicht ins Wackeln kommen. Das ist eigentlich auch gut, denn was wäre eine Diskussion, deren Ergebnis von Anfang an feststeht, tatsächlich noch wert? Da man aber innerhalb der Sitzungen nicht spontan auf einen Redebeitrag reagieren kann, sondern erst auf seine angemeldete Redezeit warten muss, handelt es sich oft weniger um eine offene Diskussion als vielmehr um ein Vorbringen von Argumenten (egal ob der Zeitpunkt für das Argument passt oder nicht). Das macht die Entscheidungsfindung tatsächlich nochmal schwerer, aber es hilft nichts. Kommen das nächste Mal Vorwürfe wie z.B. der der verspäteten Abgabe der Bauvoranfrage,  dann muss ich zwingend nachfragen, wie hier die Handhabung in der Verwaltung tatsächlich ist, und nicht einfach hinnehmen, was aus den erfahrenen Kreisen der Stadträte so kommt.

Martina Thalmayr

Infos zum Projekt seitens Quest:
https://www.werndl-partner.de/lichtspielhaus-bad-aibling/

Zeitungsberichte:

OVB: Lichtspielhaus schwierige Entscheidung

OVB: Hartes Ringen knappes Votum

Mangfall24: Schwere Geburt: Entscheidung für neues Gebäude am Marienplatz gefallen

Mangfall24:“Man will der Zulassung des Bürgerbegehrens noch schnell zuvorkommen“

AIB Stimme: Bekanntgabe der Gewinner und Ausstellung aller Entwürfe ab kommenden Freitag im Rathaus

Lichtspielhaus: Voting ist entschieden

AIB Stimme: Lichtspielhaus: Bad Aibling hat entschieden

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