Schon wieder Kernkraftwerke? Nein danke!

Atomenergie Flagge: Atomkraft? Nein Danke!
Atomkraft? Nein Danke!


Kommentar von Dieter Fuchs zum Artikel im Mangfall-Boten „Union: Zurück zur Kernenergie“ von Dienstag, dem 05.11.2024, auf Seite 1. Siehe: https://www.ovb-heimatzeitungen.de/titelseite/2024/11/04/union-zurueck-zur-kernenergie-4.ovb

Liebe Union,
ihr lasst zuverlässig keine Gelegenheit aus, um die Nutzung der Kernkraft als Heilsbringerin unserer Energieprobleme immer wieder ins Spiel zu bringen, damit sich dieser Gedanke bis zur Wahl in unseren Hirnen festsetzt. Und ständig wiederholt wird der Verweis auf das „ideologisch motivierte“ Abschalten der letzten drei Kernkraftwerke und das Anpreisen der Kraftwerksgenerationen vier und fünf, mit denen bald alles gut werden soll. Klein, modular, kaum Müll und wenn doch, dann nur radioaktiver Müll mit kurzen Halbwertszeiten. Schön wär’s, aber das haut nicht hin!

Bei der Nutzung der Kernenergie kommt es nicht nur darauf an, Atomkerne zu spalten. Es muss sich auch eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion aufbauen, die nicht aus dem Ruder läuft, sonst ist der ganze Aufwand für die Katz. In Kraftwerken wird die Kettenreaktion mittels Steuerung in einem sehr engen Bereich auf einem möglichst konstanten Niveau gehalten, d. h. jede Kernspaltung im Reaktor soll statistisch nur eine weitere Spaltung auslösen. Die Anforderung an eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion erfüllen aber nur wenige Stoffe: Uran-235, Plutonium-239, Uran-233 und das abfalltechnisch schwierige Plutonium-241. Auf diese Vier und die Steuerbarkeit ihrer Kettenreaktionen ist die Kraftwerkstechnik angewiesen.
Übrigens, diese Vier sind auch bestens für den Einsatz in Kernwaffen geeignet.

In Uranerzen kommt Uran-235 nur mit einer Konzentration von 0,7% am gesamten Uran vor. Das Ende der Nutzungsreichweite dieses Stoffes kommt langsam in Sicht, insbesondere, wenn sich die Nutzung der Kernkraft auf Basis von Uran-235 nicht reduzieren sollte. Wird ein langfristiger Einsatz von Kernkraft erwogen, kommt auch Bruttechnologie mit einer 600 °C bis 1000 °C heißen Flüssigsalzlösung ins Spiel. Die Strukturmaterialien des Reaktors sollen die hohen Temperaturen aushalten können und möglichst resistent sein gegen Korrosion durch die Salze.

Natürliche Vorkommen der oben genannten Stoffe Plutonium-239, Plutonium-241 und Uran-233 gibt es nicht. Sie können aber durch Brutprozesse in einem Reaktor erzeugt werden, z. B. kann aus Thorium-232 durch Erbrüten Uran-233 entstehen. Auf dem Weg dorthin entstehen außer Uran-233 aber weitere problematische Stoffe wie Protactinium-233 und Uran-232, die z. B. die Brut- und Kettenreaktion stark behindern oder sehr energiereiche und durchdringende Gammastrahlung zur Folge haben. Damit entstehen ebenso extreme Anforderungen an den Strahlenschutz dieser Anlagen wie auch an ihren stark strahlenden radioaktiven Müll.

Ein solcher Thorium-Brutreaktor mit Flüssigsalzlösung ist einer der sechs vorgeschlagenen Reaktortypen der vierten Generation. Das „Generation IV International Forum“ (GIF) schätzt aber, dass es noch noch Jahrzehnte dauern kann, bis ein kommerzieller Einsatz solcher Reaktoren in greifbare Nähe rückt.

Eine Studie der Stanford Universität ist 2022 der Frage nachgegangen, ob eine modulare kleinere Bauart der Reaktoren der Generation vier, Small Modular Reactor (SMR), auch zu weniger radioaktivem Müll führt. Das Ergebnis: Zwar liefern die einzelnen Reaktoren weniger radioaktiven Müll, bezogen auf die produzierte Energie steigt die Menge aber um ein Vielfaches gegenüber konventionellen Reaktoren. Um ein konventionelles Kernkraftwerk zu ersetzen, wären grob geschätzt, je nach Bauart, fünf bis zehn SMRs notwendig.

Für den Fusionsreaktor (Generation fünf), den ihr auch gerne erwähnt, fehlt immer noch, im wahrsten Sinne des Wortes, der zündende Funke. Fusionsreaktoren sind weiterhin Gegenstand der Grundlagenforschung, ein Prototyp ist noch nicht in Sicht.

Liebe Union,
ihr wisst das, was ich hier geschrieben habe, sicherlich alles auch selbst. Warum erklärt ihr es nicht auch uns Bürgern? Ist doch eigentlich euer Ding, nicht meins! Oder passt es dann wegen den unausweichlichen „Nebenwirkungen“ und der weiterhin notwendigen und bislang ungelösten Endlagerung nicht mehr in eure populistische Strategie der scheinbar zeitnahen einfachen Lösungen?

Web-Links:

Öko-Institut e.V. „Neue Reaktorkonzepte“ Christoph Pistner, Matthias Englert, Darmstadt April 2017, URL: https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Neue-Reaktorkonzepte.pdf

Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste: Thorium – Flüssigsalzreaktoren, 23. September 2020, WD 8 – 3000 – 049/20, URL: https://www.bundestag.de/resource/blob/803686/9029c1122daec9568e97bd6b32fdd019/WD-8-049-20-pdf-data.pdf

Nadja Podbregar, „Atomkraft: Kleinreaktoren verschärfen Entsorgungsproblem“, in scinexx, 07.06.2022, URL: https://www.scinexx.de/news/energie/atomkraft-kleinreaktoren-verschaerfen-entsorgungsproblem/

Andreas Mann „NuScale gescheitert – Tiefschlag für die Nuklearindustrie“, Wirtschaftswoche, 15. November 2023, URL: https://www.wiwo.de/technologie/forschung/nuscale-gescheitert-tiefschlag-fuer-die-nuklearindustrie/29499704.html

Bund Naturschutz „Thorium Reaktor“, 15. Dezember 2019, URL: http://www.bund-rvso.de/thorium-reaktor-fluessigsalz-klein.html

Harald Lesch, „Atomkraft ohne Risiko? Der Flüssigsalzreaktor“, Terra X, ZDF, 17.05.2017, URL: https://www.youtube.com/watch?v=MmPrWr4pY10

Nuklear Forum Schweiz (2015). Faktenblatt „Thorium als Kernbrennstoff – Potential für die Zukunft“, https://www.nuklearforum.ch/sites/default/files/folder-pdf/170101_Faktenblatt_Thorium_d_Web.pdf

Kulikov GG, Shmelev AN, Apse VA, Kulikov EG (2022) Proliferation protection of uranium due to the presence of U-232 decay products as intense sources of hard gamma radiation. Nuclear Energy and Technology 8(2): 121-126. https://doi.org/10.3897/nucet.8.87814

Bildnachweis: Atomenergie_Flagge, Atomkraft? Nein Danke!
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